„Dans mon lit - In mein Bett“ locken die Künstlerinnen Inga Kerber und Corinne von Lebusa die Besucher*innen der aktuellen Ausstellung in der Galerie Jarmuschek + Partner. In einer Welt der gefühlt permanenten sozialen Öffentlichkeit vermag das Bett auf Anhieb wie die letzte Bastion des Privaten anzumuten. Inga Kerber und Corinne von Lebusa rücken diesen Ort als Schauplatz der Begegnung in den Fokus und lenken ihre Aufmerksamkeit dabei auf ein gemeinsames Thema: Ihre Hauptperson ist die Frau.
Provokant oder sinnlich-verführerisch, stark oder verletzlich – die weiblichen Figuren in Corinne von Lebusas erzählerischen Bildern treten in einer Vielzahl von möglichen Rollen auf. Die Künstlerin greift spielerisch und augenzwinkernd bestehende Klischees auf, versetzt ihre Protagonistinnen in Situationen, die uns vor Rätsel stellen und unsere eigene Vorstellungskraft befeuern. Fast automatisch beginnen wir angesichts der filmhaft anmutenden Kompositionen, das Vor- und Nachher auf individuelle Weise zu rekonstruieren. Was nicht zu sehen ist, entsteht vor dem geistigen Auge. Unmittelbar will man nach der Bedeutung fragen: Was hat es mit dieser Geschichte auf sich, wer sind die Protagonistinnen und welche Haltung lässt sich zum Beobachteten einnehmen? Begegnen wir hier einer Männerfantasie, einer Traumsequenz oder doch der Darstellung einer tatsächlichen Begebenheit? Wie durch ein Schlüsselloch lassen sich Szenen der Unterwerfung, der Kontrolle oder Unkontrolliertheit erspähen, in denen Männer höchstens als Schattengestalten oder fragmentarisch auftauchen. Die Ambivalenz des Bildgeschehens wird durch die vieldeutigen Titel unterstrichen, die oft ironisch-humorvolle Kommentare dazu sind. Corinne von Lebusa hält uns einen Spiegel vor und konfrontiert uns mit den Schubladen, Blicken und Erlebnissen, die wir in uns selbst tragen.
Mit schwungvollen Strichen zeichnet Inga Kerber die Frau in raumgreifenden, das Bild fast vollständig füllenden Posen. Immer wieder variiert sie Haltungen und Formen und lässt ihre Figuren dabei wilde Verrenkungen und Drehungen vollführen. Trotz erwiesener Elastizität und großer immanenter Dynamik scheinen sie mitunter geheimnisvoll auf dem Bildgrund verhaftet, manifestiert und stillstehend. Ausdrucksstarke Gesten kombiniert mit kontrastreichen, kräftigen Farben lassen die einzelnen weiblichen Körper gleichsam lebendig und statuenhaft ewig erscheinen. Fast wirken sie wie Symbole für etwas noch nicht greifbares und erinnern dennoch vage an bereits bekanntes: Satyrhafte Silhouetten auf antiken griechischen Vasen, orientalisierende Gottheiten, expressive Tänzerinnen oder Abbildungen des vermeintlich Freien, Urtümlichen und Wilden mögen den Betrachter*innen in den Sinn kommen. In ihrer Vielzahl jedoch sind diese „Demoiselles dans les Plantes“ mindestens ebenso sehr eine Sammlung, ein Formenschatz. Wellenlinien, ornamentale Schnörkel und stilisierte Pflanzen umspielen sie, tauchen als Kleidungsmuster auf, geben jeder einzelnen einen anderen räumlichen, manchmal naturnahen Kontext und stiften zusammen mit atmosphärisch aufgeladener Farbigkeit jedem der Bilder Sinnlichkeit und Lebenslust. Klug und hintergründig kombiniert Inga Kerber ihre Zeichnungen mit sogenannten Tapis, bemalten Textilien, deren Materialität und Installationsgehalt dem künstlerischen Ansatz eine weitere inhaltliche wie auch sinnlich-ästhetische Dimension hinzufügen.
Inga Kerber und Corinne von Lebusa zeigen uns weibliche Figuren in mannigfaltigen Facetten und lenken unsere Aufmerksamkeit dennoch auf einen kleinen Ausschnitt einer Wahrheit, die unendlich weiter gedacht, betrachtet und gezeichnet werden kann. Beide geben eine Perspektive auf etwas wieder, das in unserer Welt bereits existiert: Haltung, Inszenierung, Pose, Kultur, Geschichte und Geschichten. Ihre Arbeiten animieren uns mit einer faszinierenden Leichtigkeit zur Reflexion und Beobachtung und lassen uns insbesondere in uns selbst nach einer Quintessenz suchen.
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Die in Leipzig lebenden Künstlerinnen Inga Kerber und Corinne von Lebusa kennen sich seit vielen Jahren. Die Nähe ihrer Ateliers in der Baumwollspinnerei und ein regelmäßiger, persönlicher Austausch ermöglichen ihnen immer wieder eine gegenseitige Inspiration. International und national haben die beiden bereits miteinander ausgestellt. Für „Dans mon lit“ haben sie gemeinsam ein Künstlerinnenbuch gestaltet.
Corinne von Lebusa ist 1978 in Herzberg geboren. Nachdem sie an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Mode- und Grafikdesign studiert hatte, nahm sie 2001 ein Studium der Malerei bei Prof. Arno Rink an der HGB Leipzig auf, das sie 2008 bei Prof. Neo Rauch mit Diplom abschloss. Ihre einzigartige künstlerische Technik hat Corinne von Lebusa über eine lange Zeit entwickelt und perfektioniert. Die besondere Atmosphäre und die diffuse Lichtwirkung ihrer Werke entstehen, indem sie Aquarellfarben Schicht für Schicht in ein saugfähiges Papier einarbeitet und das Bild schließlich mit einem UV-Lack fixiert.
Inga Kerber studierte Fotografie an der Fotografieschule am Schiffbauerdamm in Berlin, an der HGB Leipzig sowie an der École Nationale Supérieur des Beaux-Arts de Lyon in Frankreich. Seitdem setzt sie sich in ihren Arbeiten immer wieder mit dem Prozess der Bildreproduktion, mit Abbildung und Wahrnehmung auseinander. Neben ihrem beständig wachsenden Fotoarchiv arbeitet die Künstlerin malerisch und zeichnerisch sowie mit Pflanzen und Fundstücken. Immer wieder werden die medial unterschiedlichen Werke zu Raum-Installationen miteinander kombiniert.
“Dans mon lit” ALS 360° 3D-TOUR | BY COURTESY OF ART@BERLIN | WWW.ARTATBERLIN.COM
ART TOUR @HOME
Wenn Sie uns momentan nicht besuchen können, sich aber trotzdem eine kleine Führung durch die aktuelle Ausstellung wünschen, bieten wir Ihnen gerne eine persönliche Tour via Videotelefonie (Facetime, Google Hangouts, Skype, Jitsi) an. Bitte kontaktieren Sie uns bei Bedarf gern per E-Mail oder telefonisch und vereinbaren Sie einen Termin!
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