CARINA LINGE + CORINNE VON LEBUSA
IN DEN TIEFEN DER GRÜNDE
5. November–10. Dezember 2016
Eröffnung: 4. November 2016, 18 Uhr
Ein Strom von Bildern, Gedanken und Emotionen beschäftigt uns jede Nacht aufs Neue; mitunter lässt er uns verwirrt, verängstigt, beschämt, freudig oder sehnsuchtsvoll, zumeist aber berührt und bewegt aufwachen. Zusammenhangsloses und Absurdes gibt uns das Gefühl, unser sorgfältig gehegtes Selbstverständnis als moderne, denkende und kontrollierte Wesen sei eigentlich pure Selbsttäuschung und tatsächlich verbringe man ein Drittel seines Lebens in einer Form von Wahn...
Die Ausstellung „In den Tiefen der Gründe“ von Carina Linge und Corinne von Lebusa dreht sich um eben diese Parallelwelt, die uns trotz intimer Nähe immer auch entrückt und unbegreiflich scheint. Weniger geht es den beiden Künstlerinnen um ein vernünftiges oder wissenschaftliches Ergründen, vielmehr erschaffen sie in ihren neuen Arbeiten eine nächtliche Bildwelt, die vor unserem wachen Auge das Wirkliche mit dem Unwirklichen verbindet und eine Essenz jener Emotionen, Begierden, Ängste und Abgründe offenbart, die sonst der Traum viel eindrücklicher zu vermitteln vermag.
Die kraftvollen Figuren und abstrakten geometrischen Formationen in Corinnes von Lebusa fein gewobenen Arbeiten erscheinen wie lebendige und doch mysteriöse Sinnbilder von Lust, Erotik und Rollenspiel. Selbstbewusst weiblich, genießerisch oder verspielt fordern sie den Blick und die Reaktion des vermeintlichen Voyeurs heraus, kokettieren mal augenzwinkernd und anregend, mal höhnisch und bedrohlich mit Inszenierungen, Gesten, Klischees und Fantasien. Hin- und hergerissen zwischen Faszination und Selbstbefragung wird der Betrachter in ihren Bann gezogen. Im Versuch, die Botschaft des Gesehenen zu begreifen, wird er immer wieder auf sich selbst und seine eigenen Assoziationen verwiesen.
Eine geheimnisvoll diffuse Atmosphäre, in der unterbewusste Wünsche und Ängste greifbar werden und Alltägliches verschwimmt, erschafft Carina Linge in ihren neuen anspruchsvoll inszenierten Fotografien. Mit bewusst gesetzten Referenzen an bekannte Werke der Kunstgeschichte – von Marcel Duchamp über Francis Bacon zu Gerhard Richter – nutzt sie eine vertraute Bildwelt als Schlüssel zur Ergründung der emotionalen Verfasstheit und Zerbrechlichkeit des modernen Menschen. Leerstellen werden mit den subjektiven Erinnerungen des Betrachters aufgefüllt, Sichtbares wird um den Bereich der Imagination erweitert und die Bewegung wird zum Ausdruck des Gefühls selbst. Carina Linge lässt uns melancholisch auf eine nebulöse Grenzwelt zwischen Realität und Fiktion blicken, in der noch nicht alles festgelegt ist und die uns ebenso Fluchtort wie Spiegel der Wirklichkeit sein kann.